Diabetes Typen
Schwangerschaftsdiabetes
Ursachen, Risikofaktoren und Symptome
Diagnose, Therapie, Auswirkungen auf das Kind
Auch heute noch bringt die Schwangerschaft für eine Diabetikerin und den Fetus erhebliche Probleme mit sich. Allerdings kann durch eine rechtzeitig begonnene Normalisierung des Blutzuckers die Kindersterblichkeit weitgehend oder völlig beseitigt und auch die Mißbildungsrate vermindert werden. Es muss jedoch gewährleistet sein, dass die Patientin von einem in der Diabetologie erfahrenen Arzt und einem Gynäkologen, der sich mit den spezifischen Problemen einer schwangeren Diabetikerin auskennt, regelmäßig betreut wird.
Die für sie richtige Therapie ist durch einen normalen Stoffwechsel gekennzeichnet. Nur so kann man eine ungestörte Entwicklung des Feten garantieren. Zahlreiche Studien haben dies bewiesen.
Das bedeutet: Es ist dringend eine Normoglykämie mit Blutzuckerwerten zwischen 60 und maximal 140 mg/dl anzustreben. Nüchternwerte sollten zwischen 60 und 120 mg/dl, Blutzuckerwerte nach dem Essen zwischen 100 und 140 mg/dl liegen.
Bei dieser straffen Diabeteseinstellung sind Unterzuckerungen häufig nicht zu vermeiden. Deshalb ist es wichtig, dass die schwangere Diabetikerin über die Unterzuckerungs-Warnsymptome genau Bescheid weiß und entsprechend mit schnell wirkenden Kohlenhydraten reagieren kann. Darüber hinaus sollten ihre Angehörigen in der Lage sein, ihr bei einer Unterzuckerung mit Bewusstlosigkeit das Hormon Glucagon zu spritzen.
Außerdem ist es ratsam, alle vier Wochen den HBA1-Wert zu kontrollieren. Dieser Langzeitparameter lässt Rückschlüsse auf die durchschnittliche Blutzuckerkonzentration während der vorangegangenen vier bis acht Wochen zu. Er sollte wie bei Nicht-Diabetikern im Normbereich zwischen fünf und acht Prozent liegen. Höhere Werte sprechen für eine mäßige beziehungsweise unzureichende Diabeteseinstellung und weisen auf eine dringende Korrektur des bisherigen Behandlungsschemas hin.
Bezüglich der Diät kann die diabetische Schwangere nach den gleichen Regeln leben, wie sie für nicht-schwangere Diabetikerinnen gelten. Die erforderliche Kalorienmenge richtet sich nach dem Grad der körperlichen Tätigkeit und entspricht etwa 30 bis 40 kcal pro Kilogramm Körpergewicht. Es ist jedoch auf eine eiweißreiche, fettarme Diät mit ungefähr 200 g Kohlenhydraten pro Tag zu achten. Während in den ersten sechs Monaten die Gewichtszunahme etwa 1 kg je Monat betragen soll, liegt die Gewichtszunahme für die nächsten drei Monate bei etwa 1,5 kg je Monat.
Typisch für die Stoffwechselsituation während der Schwangerschaft ist, dass die Insulinempfindlichkeit abnimmt. Ausgelöst wird dieser Zustand durch eine Hormonumstellung: Es kommt zu einer vermehrten Sekretion von Progresteron, HPL (Humanplacental Lactogen) und Östriol. Außerdem wird in der Placenta vermehrt Insulin abgebaut. Eine schwangere Diabetikerin, deren Körper kein eigenes Insulin produzieren kann, muss sich so ständig durch eine Erhöhung der Insulindosis an diese neue Situation anpassen.
Wegen dieses Insulinmehrbedarfs mussten schwangere Diabetikerinnen früher regelmäßig stationär aufgenommen werden, um sie an die aktuelle Stoffwechsellage anzupassen. Heute können sie dagegen ambulant betreut werden. Voraussetzung ist jedoch eine intensive Schulung, die sie in die Lage versetzt, sich den ständig wechselnden Stoffwechselsituationen mit Hilfe von Blutzuckerselbstkontrollen und veränderten Insulininjektionen selbständig anzupassen. Um rechtzeitig reagieren zu können, muss der Blutzucker jeden Tag regelmäßig vier- bis sechsmal gemessen werden.
Die meisten Diabetiker bevorzugen heute ein Insulinregime mit individuellem Mischen von schnell und langsam wirkenden Insulinen am Morgen und am Abend. Um eine Normo-9lykämie zu erzielen, sind bei Schwangeren häufig drei bis fünf Injektionen erforderlich. Die Einstellung wird dadurch flexibler und übersichtlicher. Ist jedoch eine Normalisierung des Stoffwechsels trotz mehrfacher Injektionen nicht zu erzielen, sollte die Patientin schnellstmöglich auf eine Insulinpumpe umgestellt werden.
Auswirkungen auf das Kind
Auch der Fetus ist einer veränderten Stoffwechselsituation ausgesetzt: Aufgrund der erhöhten Blutzuckerwerte der Mutter gelangt vermehrt Glucose in den kindlichen Kreislauf. Das führt zu einer erhöhten Ausschüttung von Insulin aus der Bauchspeicheldrüse des Kindes.
Die vermehrte Sekretion von Insulin aus der kindlichen Bauchspeicheldrüse führt zu einer vermehrten Kohlenhydratspeicherung und Fettbildung. Dies macht sich vor allem durch eine Vergrößerung der Organe Herz und Leber bemerkbar. Mediziner sprechen in einem solchen Fall von einer Glucose-Insulin-Mast mit Übergröße des Fetus. Doch trotz der Übergröße kann es zu einer verzögerten Entwicklung und Unreife des Feten kommen.
Das Überangebot von Glucose im kindlichen Kreislauf mit anschließender vermehrter Insulinsekretion aus der Bauchspeicheldrüse hat außerdem eine Unterzuckerung unmittelbar nach der Geburt zur Folge. Das ist dadurch zu erklären, dass die Betazellen des Kindes - angepasst an das Überangebot von Glucose während der Schwangerschaft - vermehrt Insulin ausschütten. Es kommt dadurch zur Senkung des Blutzuckerspiegels mit entsprechenden Symptomen. Deshalb muss dringend auf kurzfristige Blutzuckerkontrollen beim Kind geachtet werden.
Eine gute Blutzuckereinstellung ist die Voraussetzung für die Geburt eines gesunden Kindes. Durch die Einführung der intensivierten Diabetestherapie, die schon vor Schwangerschaftsbeginn normale Blutzuckerwerte anstrebt und diese während der gesamten Schwangerschaft erhält, sind die Risiken für Mutter und Kind erheblich gemindert. Regelmäßige Selbstkontrollen und Insulinanpassung durch die Schwangere sowie engmaschige Kontrollen durch den Diabetologen und den Gynäkologen sind jedoch Voraussetzung. Aufgrund der dadurch zu erreichenden ausgeglichenen Stoffwechsellage ist eine Entbindung auf natürlichem Wege anzustreben. Lediglich bei Diabetikerinnen, die eine fortgeschrittene Nierenfunktionsstörung oder eine schwerwiegende diabetische Augenkrankheit haben, muss von einer Schwangerschaft abgeraten werden, denn es kann zu erheblichen Komplikationen für die Mutter kommen. Dagegen haben geringgradige Spätschäden keinen bleibenden negativen Einfluss auf den Gesundheitszustand der Schwangeren.